NGA-Mitglieder im Interview
Mit gutem Draht zur Natur und zu sich selbst
Die Ausbildung im biologisch-dynamischen Landbau
Egal ob Müsli zum Frühstück, Salat zum Mittag, Eintopf zum Abendessen oder Milch im Kaffee: Wir konsumieren tägliche Produkte aus der Landwirtschaft. Diese auf rein ökologische Weise zu betreiben, hat sich der biologisch-dynamische Landbau auf die Fahnen geschrieben. Wie die Ausbildung in diesem Bereich abläuft und welchen Ansatz sie verfolgt, erklärt Jakob Ganten vom Netzwerk Biodynamische Bildung im Interview.
Ein Gespräch von Xenia Gomm
Netzwerk Grüne Arbeitswelt: Wie viele junge Menschen bewerben sich bei Ihnen im Schnitt pro Ausbildungsjahr? Und wie viele Auszubildenden können dann tatsächlich die biodynamische Landwirtschaft erlernen?
Jakob Ganten: Die Biodynamische Ausbildung kann man in ganz Deutschland absolvieren. Es gibt aktuell rund 270 Ausbildungsbetriebe, auf denen jedes Jahr 100 bis 120 neue Auszubildende beginnen. In allen drei Ausbildungsjahren zusammen werden aktuell knapp 350 Personen ausgebildet. In den meisten Jahren haben wir mit deutlich mehr Interessent*innen Kontakt, als dann tatsächlich die Ausbildung beginnen. Viele rufen bei uns an, um sich erst einmal zu informieren. Die Entscheidung über ein Ausbildungsverhältnis treffen dann immer der Betrieb und der oder die Interessent*in gemeinsam. Wir als Bildungseinrichtung überprüfen anschließend nur noch, ob alle Formalien im Vertrag passen.
Was macht die biodynamische Ausbildung besonders? Warum bedarf es einer eigenen Ausbildungsmöglichkeit für den biodynamischen Landbau?
Landwirtschaft ist ein spannendes und wahnsinnig vielfältiges Arbeitsfeld. Und die Art der Landwirtschaft entscheidet darüber, ob wir in Zukunft gesunde Böden, Nahrungsmittel und Naturvielfalt auf der Erde haben werden. Daher kann es eigentlich gar nicht genug Ausbildungswege geben, in denen junge Menschen gute Landwirtschaft erlernen können.
Besonders ist bei uns zum Beispiel, dass es nur um Ökolandbau geht und dass wir die Landwirtschaft und den Gemüsebau gemeinsam unterrichten und nicht auf zwei Berufe aufteilen. Unser Leitbild sind vielfältige ökologische Gemischtbetriebe. Daher ist es gut, in der Ausbildung einen großen Überblick über alle Betriebszweige zu erwerben.
Was unterscheidet die Ausbildung im biologisch-dynamischen Landbau von der Ausbildung in der konventionellen Landwirtschaft?
Das ist eine gute und berechtige Frage, schließlich gibt es ja gute staatliche Berufsschulen. Allerdings machen wir zwei Dinge anders: Zum einen lernen die Menschen bei uns wirklich nur ökologische Landwirtschaft. An den Berufsschulen sind 90% der Auszubildenden auf konventionellen Betrieben, da ist es logisch, dass es sich hier vor allem um konventionelle Landwirtschaft dreht. Wenn jemand aber weiß, dass beruflich nur Bio infrage kommt, dann lohnt es sich doch, sich gleich hierauf zu konzentrieren.
Zum anderen bemühen wir uns um Nachhaltigkeit auch im Sinne einer modernen Pädagogik. Die Lehrkräfte verstehen sich nicht so sehr als reine Wissensvermittler*innen, sondern als Begleiter*innen auf dem individuellen Lernweg. Es wird sehr viel in Kleingruppen und Projekten gearbeitet und der Unterricht findet überwiegend vor Ort auf den Höfen statt, sodass der Lernstoff zwar jedes Jahr ein bisschen anders sein kann aber immer echt und real ist. Und auch der soziale Prozess in der Seminargruppe wird als Lerngegenstand ernstgenommen. Unser Ziel ist, dass die Menschen mit einem guten Draht zu sich selbst ins Berufsleben gehen. Wir haben mit diesem Ansatz gute Erfahrungen gemacht und dafür 2019 und 2022 die UNESCO Auszeichnung „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ verliehen bekommen.
Zur Ausbildung gehören auch anthroposophische Inhalte – so steht bspw. Demeter aufgrund des Einsatzes einiger Präparate immer wieder in der Kritik. Was entgegnen Sie Ihren Kritikern? Und welche Rolle spielen diese Praktiken in der biodynamischen Ausbildung? Müssen die Auszubildenden diese Inhalte erlernen?
Die Ausbildung orientiert sich (wie der Name sagt) an der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, einer konsequenten und ganzheitlichen Anbaumethode. Diese war in Europa und darüber hinaus Vorreiter der gesamten Biobewegung und gilt bis heute als besonders nachhaltiges Landbausystem. Bekannt ist sie auch unter dem Namen „Demeter“. Als Ausbildungsbetrieb können Demeter- oder Biobetriebe gewählt werden, etwas 75 % unserer Lehrbetriebe sind Demeterhöfe. In den Seminaren lernen die Auszubildenden sowohl neue ökologische Verfahren wie Agroforst-Systeme und regenerative Landwirtschaft kennen, wie auch die Herstellung der fast hundert Jahre alten biologisch-dynamischen Präparate. Damit bekommen Sie ein großes Repertoire an Methoden zur freien Auswahl für ihre spätere berufliche Tätigkeit.
Wird der Ausbildungsabschluss auf dem Arbeitsmarkt als gleichwertig im Vergleich zu konventionellen Ausbildungen in der Landwirtschaft wahrgenommen?
Die Biodynamische Ausbildung endet nach drei Jahren mit einer Abschlussfeier und einem privaten Abschlusszeugnis, welches aber innerhalb der ökologischen Landwirtschaft sehr bekannt ist. Parallel können die Auszubildenden sich bei der zuständigen Stelle des jeweiligen Bundeslandes melden und zur staatlichen Abschlussprüfung anmelden. Das empfehlen wir allen, damit sie einen wirklich vollwertigen Berufsabschluss haben. Die Auszubildenden bestehen diese Prüfungen in der Regel auch sehr gut. Wir führen aktuell Gespräche in verschiedenen Bundesländern, damit die staatliche Abschlussprüfung noch nahtloser an das Ende unserer Ausbildung anschließt.
Bis 2030 sollen 30% der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland ökologisch bewirtschaftet werden, aktuell sind es nur 10 %. Es ist also auch abzusehen, dass wir in den nächsten Jahren mehr Nachwuchskräfte im biologischen Landbau benötigen. Was braucht es aus Ihrer Sicht, um mehr Menschen für dieses Berufsfeld zu gewinnen?
Als vor 20 Jahren das Biosiegel eingeführt wurde, gab es eine richtige Kampagne, um Bioprodukte bekannt zu machen. Das hat sehr gut gewirkt. Heute bräuchten wir eigentlich eine Kampagne, um junge Menschen für den „Zukunftsberuf Biolandbau“ zu begeistern. Und gleichzeitig müssen wir viel mehr Betriebe begeistern, Praktikumsplätze, FÖJ Stellen und auch Ausbildungsplätze anzubieten. Insgesamt wird auf Biobetrieben nicht mehr ausgebildet als im konventionellen Bereich. Das muss sich ändern. Und nicht zuletzt muss auf Ebene der Höfe an der Qualität der Ausbildungsplätze gearbeitet werden, damit junge Menschen sich dort wirklich wohl fühlen. Mit guter Beratung kann da sehr viel erreicht werden.
Was sind wichtige Stellschrauben? Wo würden Sie ansetzen und was wünschen Sie sich ganz konkret für die Zukunft der biodynamischen Ausbildung?
Für mehr Ausbildung kann und muss an vielen Stellschrauben etwas passieren. In den Berufsschulen muss der Ökolandbau viel mehr Gewicht bekommen und eigentlich das Leitbild der landwirtschaftlichen Berufsbildung überhaupt werden! Dafür müssen auch die Lehrkräfte fortgebildet werden. Gut wäre, wenn die Berufsschulen mehr Freiheit im Zeitplan und Budget bekämen, um ganz viel auf die Höfe rauszufahren, damit Biohöfe erlebt werden können. Ökolandbau muss außerdem Prüfungsfach werden, damit Lehrkräfte und Azubis sich wirklich damit befassen.
Und wir als private Initiative könnten noch mehr junge Menschen ausbilden, wenn es passende Förderprogramme gäbe. Aktuell sind wir zur Finanzierung der Arbeit maßgeblich auf Stiftungsgelder und Spenden angewiesen. Außerdem wünschen wir uns, dass der staatliche Abschluss in allen Bundesländern nahtloser in unsere Ausbildung integriert werden kann, dann müssen die Azubis sich nicht mehr einzeln zur Zulassung bewerben.
Landwirtschaft ist wirklich ein wichtiges und tolles Arbeitsfeld. Wenn es auf allen Ebenen leicht und attraktiv gemacht wird, dann werden sich noch deutlich mehr junge Menschen für diesen Ausbildungsweg entscheiden.
Netzwerk biodynamische Bildung
Das Netzwerk Biodynamische Bildung wurde gegründet, um die langjährige Ausbildungsarbeit auf Demeter Höfen zu koordinieren und Konzepte für deren Weiterentwicklung zu erarbeiten. Die Ausbildung selbst wird von regionalen Ausbildungsträgern angeboten und organisiert, damit eine möglichst enge Zusammenarbeit der Höfe, Auszubildenden und Dozent*innen vor Ort ermöglicht wird. Die einzelnen Ausbildungsträger sind zusammengeschlossen im Netzwerk Biodynamische Bildung.