NGA-Mitglieder im Interview
„Green Jobs with Ukrainians“
Mit Geflüchteten die Energiewende vorantreiben
Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Frühjahr 2022 arbeitet „Compango. Climate Justice“ gemeinsam mit geflüchteten Menschen an der Sensibilisierung für Themen wie Klimagerechtigkeit und Energiewende. Der Verein aus Berlin organisiert Weiterbildungen und Workshops und unterstützt mit dem Projekt „Green Jobs with Ukrainians“ die Ausbildung von Anlagenmechaniker*innen.
Ein Gespräch von Pascal Goddemeier
Netzwerk Grüne Arbeitswelt: Wie kam es zu dem Projekt?
Geschäftsführer Rudi Piwko: Drei entschlossene Menschen wollten nicht mehr nur „einfach“ studieren oder Berater sein, sondern gezielt Klimagerechtigkeit mit ihrem neugegründeten Verein Compango e.V. unterstützen. Dann kam der russische Angriffskrieg über Europa und es drängte sich die Logik auf: Klima und Frieden! So entstand aus einer emotionalen Betroffenheit der Plan, die ukrainischen Geflüchteten in die Energiewende einzubinden und sie dabei auch in unsere Gesellschaft zu integrieren. Also „Green Jobs with Ukrainians“ – dabei halfen uns Ernst-Ulrich von Weizsäcker (als Schirmherr) und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt mit einer Anschubfinanzierung.
Friedensarbeit und Klimaschutz – wo gibt es da Überschneidungen?
Noch überzeugender als die Theorie (Kein Frieden ohne Freiheit, kein Klimaschutz ohne Gerechtigkeit) ist die Praxis der Menschlichkeit. Mit den Geflüchteten „grüne Arbeitsplätze“ zu organisieren ist also nicht nur eine politische Aufgabe, sondern ein Gebot der Mit-Menschlichkeit. Compango versucht die Haltung der „Gemeinschaft“ als übergeordnetes Ziel zu leben. So wurde ein Haus in ein Green Energy House umgestaltet, in dem drei geflüchtete Familien lebten und Workshops zu Wärmedämmung, zu nachhaltigem Bauen oder zu Photovoltaik genauso stattfanden, wie gemeinsames Essen, Tanzen, Singen und Freiluftkino.
Welche Jobs vermittelt compango? Und wie geht der Verein dabei vor?
Compango begleitet Geflüchtete vornehmlich in Qualifizierungen. Als Modell dient uns eine Kooperation mit der Innung Sanitär, Heizung, Klima Berlin im Qualifizierungsgang „Vom Helfer zum Gesellen – von der Helferin zur Gesellin“. Dabei arbeiten nach einer dreimonatigen Einführung in der Gruppe die schon berufserfahrenen Geflüchteten vier Tage die Woche in einem Betrieb und erhalten einen Tag die Woche eine Schulung als Vorbereitung für die Gesellenprüfung. Das Ziel ist, Anlagenmechaniker*in zu werden und damit die Fähigkeiten zu erlangen, die es braucht, um zum Beispiel Wärmepumpen oder Sonnenkollektoren installieren zu können.
Wie laufen eure Einstiegs-Workshops ab?
Die Vorstellungen der Berufsbilder ist auch eine hochemotionale Angelegenheit. So war Anika als Maurermeisterin vom Norddeutschen Zentrum für nachhaltiges Bauen eine wichtige Ankerperson für die ukrainischen Frauen, die in unserem Workshop teilweise zum ersten Mal mit einer Bohrmaschine Dämmplatten an die Wand gedübelt haben und großen Spaß dabei hatten. Oder Dima, der als All-Round Handwerker bisher Zement und Gips kannte und mit Stroh, Hanffaser und Lehm ganz neue sinnliche Erfahrungen machte. Nach dem Selbstausprobieren ist der nächste Schritt dann das Kennenlernen des Berufes in der nachhaltigen Praxis, also in Betrieben die nachhaltig bauen und wirtschaften.
Welcher Schritt ist als nächstes geplant?
Mit mehreren hervorragenden Partnern entwickeln wir aktuell ein deutsch-ukrainisches Begegnungszentrum: Mit dem Oberstufenzentrum Bautechnik, der Knobelsdorff Schule Berlin und der Deutschen Bahn, Station & Service planen wir einen seit zehn Jahren lehrstehenden denkmalgeschützten S-Bahnhof ökologisch auszubauen. Mit Kiosk, Café und Veranstaltungsräumen. Bei der Konzeptionierung und Organisation des Cafés als Ausbildungsbetrieb für Geflüchtete steht uns die BioCompany kostenfrei beratend zur Seite. Auch umliegende Vereine unterstützen das Projekt als Community Einrichtung.