Grüne Kompetenzen für alle Azubis
Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der Ausbildung
Interview: Krischan Ostenrath
Im Frühjahr 2020 wurden die Standardberufsbildpositionen als Mindeststandards für sämtliche Ausbildungsberufe aktualisiert. Künftig werden Kompetenzen aus den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit in allen beruflichen Ausbildungen vermittelt. Barbara Hemkes ist Arbeitsbereichsleiterin im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und in dieser Funktion seit vielen Jahren mit Fragen der Nachhaltigkeit im deutschen Berufsbildungssystem beschäftigt. Auch deshalb begleitet sie das Netzwerk Grüne Arbeitswelt kontinuierlich als fachlicher Beirat. Die Expertin erklärt, wie sich das Ausbildungssystem nun verändern soll.
Netzwerk Grüne Arbeitswelt: Die Themen Digitalisierung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit sollen also in Zukunft Pflichtprogramm für Azubis werden. Frau Hemkes, waren wir gerade Zeuge einer kleinen Revolution des deutschen Ausbildungssystems?
Barbara Hemkes: Nein, das wäre etwas zu dramatisch formuliert. Denn zum einen waren diese Themen ja schon seit vielen Jahren Bestandteil der Ausbildungspraxis, zumindest in einigen Unternehmen, und in einzelnen Ausbildungsordnungen auch explizit formuliert, beispielsweise in den Bereichen Sanitär, Heizung, Klima oder Energie. Und zum anderen schauen sich die für die berufliche Bildung verantwortlichen Akteure – also Bund, Länder, Arbeitgeber und Gewerkschaften – ja regelmäßig die Ausbildungsordnungen an und überlegen, wo die erforderlichen beruflichen Kompetenzen auf die faktischen bzw. künftigen Anforderungen ausgerichtet werden müssen. Eine Revolution ist das also nicht, eher ein Beleg dafür, dass das scheinbar so träge deutsche Berufsbildungssystem mit seinen mehr als 300 Ausbildungsberufen immer noch sehr gut auf veränderte Arbeitswelt reagieren kann.
Wir sprechen hier ja über einen formalisierten Prozess, der letztlich alle Ausbilder/innen und Azubis betreffen wird. Was verbirgt sich denn hinter dem doch etwas sperrigen Begriff „Standardberufsbildposition“?
Gemeint ist damit, dass für alle Berufe übergreifende Qualifikationsanforderungen festgelegt werden, die dann in den Ausbildungsordnungen konkretisiert werden – hier eben aus den Bereichen Digitalisierung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit – in allen Ausbildungsordnungen. Konkret bedeutet das, dass künftig sowohl in der Berufsschule als auch im betrieblichen Alltag entsprechende Kompetenzen integriert werden.
Das ist aber nicht zu verwechseln mit der Änderung einzelner Curricula, oder?
Nein, das ist der folgende Schritt, denn diese Standardberufsbildposition muss ja notwendig auf die einzelnen Ausbildungsberufe angepasst werden. Das wird beispielsweise für eine Ausbildung im Bereich Ver- und Entsorgung etwas anderes bedeuten als im Bankwesen. Die jetzt beschlossenen Mindeststandards beschreiben also bestimmte Kompetenzen, die am Ende der Ausbildung vorhanden sein müssen. Diese Standards werden nun in spezifischen Ordnungsverfahren für einzelnen Berufe konkretisiert. Beteiligt sind dann hier die Expert/innen aus den jeweiligen Berufen, diese Anpassung läuft also auf der konkreten fachlichen Ebene.
Wenn am Ende einer jeden Ausbildung alle Auszubildenden konkrete Kompetenzen beispielsweise im Umweltschutz haben sollen, dann setzt das aber doch auch entsprechende Kompetenzen auf Seiten des Ausbildungspersonals voraus.
Das ist richtig. Wir müssen also darauf achten, dass auch auf dieser Seite entsprechend qualifiziert wird. Digitalisierung und Nachhaltigkeit müssen damit systematisch in die Ausbildung von Lehrer/innen oder die Weiterbildung von betrieblichen Ausbilder/innen integriert werden. In diesem Zusammenhang gibt es natürlich vielfältige Unterstützung, nicht zuletzt durch entsprechende Modellversuche des BIBB, die mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert werden.
Woher kommt denn diese neue Offenheit gegenüber Themen aus der digitalen und grünen Arbeitswelt? Ist das auch eine Reminiszenz an die junge Generation, die für diese Themen besonders sensibel ist?
Nun, Standardberufsbildpositionen werden nicht leichtfertig entlang von Themenkonjunkturen geändert. Es ist ganz einfach so, dass die Ausbildungsunternehmen realisieren, dass die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit im betrieblichen Alltag und damit im gesamten Erwerbsleben eine immer größere Rolle spielen. Dementsprechend muss auch das Ausbildungssystem darauf reagieren. Aber natürlich ist auch das eine Reaktion auf große gesellschaftliche Themen. Insofern steht hinter der jüngsten Aktualisierung also kein taktisches Kalkül, sondern die nüchterne und gut belegbare Erkenntnis, dass die Arbeitswelt immer digitaler und grüner wird.
Frau Hemkes, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Zum Weiterlesen
Themenseite des BIBB zur Nachhaltigkeit in der Berufsausbildung