Bericht in eigener Sache

Viele Perspektiven, ein Ziel

© Netzwerk Grüne Arbeitswelt

Das war die NGA-Jahreskonferenz 2023

Viele Köche verderben den Brei? Ganz und gar nicht, wenn es um die Frage geht, wie sich Menschen für Berufe im Klima- und Umweltschutz gewinnen lassen. Denn die ökologische Transformation kann nur gelingen, wenn alle mit anpacken. Mit welchem Engagement das Vertreter*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft bereits tun und welche Herausforderungen sie dabei umtreiben, zeigte die diesjährige Jahreskonferenz des Netzwerk Grüne Arbeitswelt. 57 Akteur*innen nutzten am 21. November 2023 in Hannover die Gelegenheit, sich zu informieren, miteinander zu vernetzen und gemeinsam spannende Fragen und Ideen rund um die Berufsorientierung und Fachkräftefrage zu diskutieren.


Text: Sabrina Jaehn

Gleich zu Beginn der Jahrestagung fanden Stefan Wenzel, der Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und Rainer Hoffmann, der Vorsitzende des Rats für Nachhaltige Entwicklung anerkennende Worte für die Arbeit des Netzwerks und seiner Mitglieder und betonten die Bedeutung der Berufsorientierung im Bereich Umwelt- und Klimaschutz für die ökologische Transformation.

 

Sie alle tragen mit Ihrem Engagement beim Netzwerk Grüne Arbeitswelt dazu bei, Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Deutschland voranzubringen, damit wir die Ziele des Pariser Abkommens erreichen. […] Das Netzwerk zählt zu den Pionieren in Sachen Fachkräftesicherung in Umwelt- und Klimaschutzberufen. Ich möchte dem Netzwerk Grüne Arbeitswelt und seinen Mitgliedern daher ganz herzlich für die großartige Arbeit und für Ihr Engagement danken.
Stefan Wenzel

© Netzwerk Grüne Arbeitswelt

Im Anschluss stellte Dr. Markus Janser vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung unter dem Titel „Green Skills vor Ort – Die ökologische Transformation auf dem Arbeitsmarkt, regionale Unterschiede und deren Konsequenzen für die Fachkräftesicherung“ seine aktuellen Forschungsergebnisse vor und lud zur Diskussion ein. Seinen Untersuchungen zur Folge findet ein Greening of Jobs auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt statt. Damit verbunden, stellt er mit seinen Forschungskollegen fest, dass in immer mehr Berufen immer mehr Green Skills gefragt sind, während die Nachfrage nach Brown Skills rückläufig ist (mehr Infos zur Studie in diesem Blogbeitrag). Das heißt, potenziell umweltfreundliche Kompetenzen bspw. zum Schutz der biologischen Vielfalt spielen immer häufiger eine Rolle und potenziell umweltschädliche Fähigkeiten oder Techniken, die zum Beispiel den Einsatz fossiler Energien mit sich bringen, nehmen ab. Fest steht für Markus Janser daher:

 

Wir brauchen dringend regionale und überregionale Fachkräftestrategien für die ökologische Transformation inklusive Aus- und Weiterbildungsstrategien.

Green Flashlights: Angebote und Herausforderungen

Wie sich einzelne Akteurinnen und Akteure bereits für die Gewinnung grüner Fachkräfte von morgen einsetzen, zeigte sich in den Green Flashlights der Jahreskonferenz. Dieses Format bot Raum zur Darstellung verschiedene Ansätze bzw. Angebote und gab den Präsentierenden Gelegenheit, sich Anregungen und Feedback von den Teilnehmenden der Tagung einzuholen. So berichtete Dirk Schöps vom Metallrecycling-Netzwerk REWIMET von der Herausforderung, Nachwuchs für die Branche zu finden und der Etablierung eines FÖJs. Marie Dufri Holmgaard skizzierte ein aktuelles Vorhaben des Netzwerkbüros Bildung Rheinisches Revier. Hier sollen Schüler*innen an Berufskollegs nach ihren Wissensbeständen über grüne Berufe, ihrer Bewertung der ökologischen Transformation und ihren bevorzugten Kanälen und Formaten zur Informationsbeschaffung befragt werden. Ihre Frage ans Plenum der Jahreskonferenz: Wer hat Tipps im Umgang mit Schulklassen und für wen könnten die Ergebnisse interessant sein?

Das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft (BHWH) hingegen richtet sich an Deutschlernende und möchte die Deutschförderung mit dem Thema Nachhaltigkeit verknüpfen. Die Referentin Carolin Stierle erkundigte sich daher nach Ideen, wie sich dieser komplexe Bereich sprachlich vereinfacht vermitteln lässt. Die Deutsche KlimaStiftung wiederum hat im Projekt „So geht Zukunft“ ein Methodenset für Lehrkräfte zu innovativen Klimaschutzlösungen entwickelt, das Yara Behrens mit ihren Kolleg*innen nun bestmöglich den vielbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrern an die Hand geben möchte. Die Projektkoordinatorin Hanna Nohr von der ANU Hessen war für das Projekt Energiewendeheld*innen vor allem auf der Suche nach Betrieben im ländlichen Raum, die Handwerk für Schüler*innen erlebbar machen. Und Heiko Hilmer von der Regionalen Energie- und Klimaschutzagentur Braunschweig, die jungen Menschen mit den Solarcamps for Future Kompetenzen zur Installation von Photovoltaik-Anlagen vermittelt, brannte die Frage unter den Nägeln, wie sich Förder*innen und Multiplikator*innen gewinnen lassen.

Podiumsdiskussion: 10 Goldene Regeln

Eine Hilfe, die das Netzwerk Grüne Arbeitswelt den Teilnehmenden und sonstigen Interessierten an die Hand geben, aber auch auf der Jahreskonferenz diskutieren wollte, sind die neu entwickelten „10 Goldenen Regeln der Berufsorientierung für Nachhaltigkeit“. Federführend bei der Entstehung war Iken Draeger vom Wissenschaftsladen Bonn, die die Podiumsdiskussion moderierte, an der fünf Expert*innen teilnahmen: die Studentin Sophia Gavgalidis, Manuela Zänker von der GLS-Bank, Marco Schöppner von der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main, Guido Kirst vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und Katrin Heilen vom Bildungsbüro Kreis Steinfurt. In dieser Runde wurden einzelne Regeln wie „Authentizität“ und „gute Arbeit“ aufgegriffen, überlegt, an welchen Stellen es ggf. Optimierung bedarf und besprochen, wie verschiedene Akteursgruppen die Regeln nutzen und auf welche Weise sie erfolgreich verbreitet werden können.

Workshops: Zielgruppen, Qualifizierung, Employer Branding

Gelegenheit, tiefer in einzelne Schwerpunktthemen rund um die grüne Fachkräftefrage einsteigen zu können, erhielten die Teilnehmenden in drei Workshops. Im Ersten zum Thema „Qualifizierung von Geflüchteten: Wie aktiviere ich besondere Zielgruppen für die Energiewende?“ nahm Rudi Piwko, Gründer und Geschäftsführer von Compango e.V. , die Teilnehmenden zunächst mit auf eine Erfahrungsreise. In einem kurzen Impulsvortrag zu „Green Jobs with Ukrainians“, dem Pilotprojekt des Vereins, berichtete er von dessen Anfängen und den unterschiedlichen Phasen der (beruflichen) Orientierung der Geflüchteten: an erster Stelle stand demnach für viele die soziale-emotionale Anbindung, die Vertrauen aufbaut und durch gemeinsame Aktivitäten, kulturelle Veranstaltungen und Feste Verbindungen schafft. Erst in einem weiteren, nachgeordneten Schritt ging es dann um die fachlichen und materiellen Komponenten, die u.a. mit der Durchführung eines Workshops zum Thema Dämmungen aufgebaut wurden. Dieses und andere Beispiele der Teilnehmenden zeigten, dass es gerade in der Zusammenarbeit und Aktivierung besonderer Zielgruppen für die Energiewende eine enge Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppen bedarf. Hierfür ist es unabdingbar, die Lebenswelten, Schlüsselpersonen und -institutionen zu berücksichtigen, außerschulische Lernorte und die aufsuchende Arbeit mit Eltern einzubeziehen, die eigenen Annahmen regelmäßig zu hinterfragen und in persönlichen Gesprächen Vertrauen aufzubauen – auch wenn dies Zeit erfordert.

Um die Befähigung von Menschen, beruflich bei der Energiewende anzupacken, ging es auch im Workshop „Ohne Hände keine Wende: Engpassberufe als Bottleneck der Klimawende“ von Leon Trippel. Der Leiter der Initiative OHKW gegen den Fachkräftemangel in der Erneuerbare-Energien-Branche zeigte zunächst auf, dass im Jahr 2023 ca. 450.000 Fachkräfte zur Umsetzung der Energiewende fehlen werden. Wie lässt sich diese Lücke schließen? „Der größte Hebel liegt bei Quereinsteigenden“, so Trippel. Fachkräfte können sich auf die Bereiche konzentrieren, die nur sie durchführen dürfen, für die anderen Tätigkeiten können Quereinsteiger*innen eingesetzt werden. Diese lassen sich durch Teilqualifizierungen fit machen – bspw. in den Bereichen Wärmepumpe und Photovoltaik. Zielgruppe dieser förderfähigen Teilqualifizierungen sind eigentlich Menschen Ü25, so der Experte, aber sie können auch für jüngere Menschen mit abgebrochener Ausbildung in Frage kommen, sollen jedoch keinesfalls eine Alternative für eine Ausbildung darstellen. Als weitere Zielgruppe führte Leon Trippel Menschen an, die in saisonalen Tätigkeiten arbeiten z.B. in der Gastronomie. Diese könnten im Winter eine geförderte Weiterbildung absolvieren. Zu beachten seien aber auch kritische Punkte. So warnen Gewerkschaften davor, dass Menschen mit Teilqualifizierung teils im Niedriglohnsektor oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten und möglicherweise als erstes wieder entlassen werden. Hier bedarf es der Optimierung.

Jan Strohschein von greenjobs.de widmete sich in einem dritten Workshop auf der Jahreskonferenz der Frage, wie Nachhaltigkeit das Recruiting und Employer Branding stärkt. Zum Einstieg gab er einen Überblick zur Entwicklung des Angebots an sogenannten „green jobs“ (Berufe aus den Bereichen Agrarwende, Klimaschutz und Verkehrswende) in den vergangenen zehn Jahren. Insgesamt sei hier ein Anstieg zu verzeichnen, temporäre Rückgänge habe es aufgrund der Corona-Pandemie sowie des Ausbruchs des Ukraine-Kriegs gegeben. Anschließend fanden sich die Teilnehmenden in Kleingruppen zusammen zu Fragestellungen bezüglich der Weiterentwicklung von Mitarbeitenden, der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und der internen sowie externen Kommunikation. Dabei sollten auch die potenziellen Herausforderungen berücksichtigt werden und ein Bezug zum Employer Branding hergestellt werden. Zu den wichtigsten Ergebnissen zählte: Nachhaltigkeit in Unternehmen umfasst die Sicherstellung fairer und angemessener Arbeitsbedingungen für Mitarbeitende (und ggf. auch Lieferanten) sowie die soziale Verantwortung (Verringerung des CO2-Ausstoßes). Unternehmen mit einem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit sollten dies als Wettbewerbsvorteil nutzen, da sie als zukunfts- und lösungsorientiert gelten. Die Außendarstellung wirkt am besten durch Authentizität.

Hauptsache: Gemeinsam im Austausch

Neben all den spannenden Diskussionen und fachlichen Inputs, war die Jahreskonferenz des Netzwerk Grüne Arbeitswelt vor allem eines: miteinander in Kontakt kommen! Darüber freuen sich die Veranstalter*innen und dem entspricht auch das Feedback der Teilnehmenden:

 

Ich habe mich schon lange nicht mehr in so kurzer Zeit mit so vielen spannenden Leuten unterhalten und vernetzt. Die Beiträge fand ich auch sehr inspirierend und abwechslungsreich.
Markus Janser

Im Netzwerk kommen immer sehr viele verschiedene Akteure zusammen und es ist ganz wichtig, dass die sich zu dieser Themenschnittstelle austauschen. Dabei ist es gar nicht so leicht, diese Bereiche zusammenzubringen. Das ist eine Herausforderung und ich fand bisher jedes Treffen, jeden Austausch, jede Konferenz super bereichernd. Man nimmt immer ganz viele neue Kontakte und sehr viel Input mit.
Hanna Nohr

Es gibt eine Übereinstimmung darüber, dass wir miteinander in Kontakt sein wollen und die verschiedenen Perspektiven verschränken. Das heißt, die Wirtschaft, die Bildungsinstitutionen, die Zivilgesellschaft – alle versuchen miteinander so ins Gespräch zu kommen, dass man den anderen besser versteht und mit einweben und so Brücken bauen kann.
Rudi Piwko